Am Samstag 24. Mai waren Großmeister Claudio Artusi und Sensei Daniela Artusi zu Gast in Bruneck. Im Rahmen eines Stage (Lehrgangs) brachten sie den Karateka des SSV Wadokan Karate Bruneck den technischen sowie geistigen Reichtum des Budo näher.
Karate wird generell mit Schlägen und hohen, athletischen Fußtritten in Verbindung gebracht. Das dies nur eine Seite der Medaille darstellt, wurde den Karateka des Wadokan Karate Bruneck wieder einmal im Rahmen des 4stündigen Lehrgangs am Samstag 24. Mai klar vor Augen geführt, an dem die traditionellen Aspekte des Wado ryu Karate (dem in Bruneck praktizierten Stil) im Vordergrund standen.
Im ersten Teil des Lehrgangs wurden Hebel- oder Fixiertechniken geübt, ergänzt um Schlag- und Tritttechniken zu den sogenannten Vitalpunkten des Gegners (empfindliche energetische Stellen, welche mit den Energiemeridianen in Verbindung stehen, Anm. der Redaktion). Schnell wurde hierbei klar, dass es im traditionellen Karate nicht primär um Kraft oder Athletik, sondern um eine effektive Kontrolle in Selbstverteidigungssituationen geht. Dies erfolgt nicht etwa durch rohe Krafteinwirkung, sondern auf Basis eines Verständnisses von Anatomie und Kontrolle der vitalen Energie des Gegners. Dies verwundert auch nicht, handelt es sich bei Karate doch ursprünglich in erster Linie um eine effektive Kunst der Selbstverteidigung, die von Jung und Alt erlernt und ausgeübt werden kann.
Dass Karate auch zahlreiche Waffentechniken umfasst, war weniger für die teilnehmenden Karateka als für einige der ZuseherInnen etwas überraschend – bedeutet Karate wörtlich übersetzt doch „leere Hand“, was letzten Endes aber v.a. Zen-philosophisch zu verstehen ist. So wurden im weiteren Verlauf des Lehrgangs Techniken gegen Messerattacken (jap. Tanto) eingeübt.
Ergänzt wurden die praktischen Übungsteile durch theoretische Einschübe, wo die geistigen Hintergründe und deren Bezug zur Praxis umrissen wurden. Von den spezifischen Einwirkungen der Techniken auf die inneren Organe war da die Rede, von Natürlichkeit und fließende Bewegungen (jap. Ryusui), welche wiederum nur durch die korrekte innere geistige Haltung und entspannte Aufmerksamkeit (jap. Zanshin) umzusetzen seien.
Dass Claudio Artusi Shihan (Lehrer der Lehrer), der auch technischer Direktor der italienischen Karate Föderation für den Stil Wado ryu ist, wie kaum ein anderer befähigt ist, gemeinsam mit seiner Schülerin Daniela Sensei die technischen und geistigen Inhalte authentisch zu übermitteln, liegt wohl nicht zuletzt daran, dass er selbst diese Kunst bei den wichtigsten Exponenten und japanischen Meistern erlernte, u.a. H. Othsuka, dem Sohn des Stil-Gründers. Hohe Graduierungen in weiteren Disziplinen, allen voran Krav Maga, Ju Jutsu und der japanischen Schwertkunst (Iaido) unterstreichen seine Qualifikation.
Zusammengefasst gesagt wurde den Teilnehmern wieder einmal auf höchstem Niveau näher gebracht wie eng Kampftechnik und ein Verständnis der körperlich-geistigen Hintergründe im asiatischen Denken miteinander verwoben sind, und wie umfassend, vielfältig und effizient Wado ryu, der in Bruneck vorwiegend praktizierte Karate Stil, ist.
Dementsprechend fasziniert zeigten sich auch die teilnehmenden Karateka – und begeistert. Oder wie es eine der jüngeren Karateka auf den Punkt brachte: „Schade, dass bald schon wieder Sommerpause ist“.
Im Herbst wird das Training – auch für Neueinsteiger – wieder aufgenommen.